Der Chefin über die Schuler geschaut
Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz verankert. Doch die Realität sieht in mancher Hinsicht anders aus. Deutschlandweit sind zum Beispiel nur 28 Prozent der Führungspositionen in der Wirtschaft mit Frauen besetzt. In Mecklenburg-Vorpommern sieht es etwas besser aus. Hier ist fast jeder dritte Chef (31 Prozent) eine Frau – denn hier gibt es nur wenige Großunternehmen, statt dessen viele Tourismusbetriebe und Dienstleistungsfirmen, vor allem in Gesundheits- und Sozialwesen. Das sind Branchen, in denen Frauen häufiger Führungspositionen einnehmen.
Das landesweite Mentoringprogramm „Zukunft durch Aufstieg“ soll nun weiteren jungen Frauen dabei helfen, in Führungspositionen hineinzuwachsen. Wir haben eines der „Tandems“ und seine Betreuerin besucht.
Die Aufstrebende: Anne Maibohm
Alles begann im letzten Spätsommer mit einer Zeitungsnotiz: Das Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern bot Frauen, die eine Führungsposition anstrebten oder die bereits seit kurzem eine solche innehatten, ein Mentoringprogramm an. „Das ist genau das, was ich für meinen beruflichen Werdegang brauche“, sagte sich Anne Maibohm – und bewarb sich um einen Platz als Mentee.
„Für mich ist das eine große Chance dazuzulernen“, erklärt die 32-Jährige, „vor allem wenn es um Konfliktmanagement oder Gesprächsführung geht“. Und: „Das Programm hilft mir auch, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen.“
Seit Anfang vergangenen Jahres leitet Anne Maibohm die Schweriner Filiale des Rechenzentrums für Heilberufe, in der 27 Frauen und Männer beschäftigt sind. „Ich habe eine kaufmännische Ausbildung gemacht und 13 Jahre lang in Norderstedt für einen amerikanischen Pharmaziekonzern gearbeitet“, erzählt die Schwerinerin. Dann kamen kurz nacheinander ihre beiden Töchter zur Welt – insgesamt drei Jahre lang nahm Anne Maibohm Elternzeit und kümmerte sich um sie. Doch dann wollte sie beruflich wieder durchstarten. Anfang 2014 übernahm die junge Frau die Filialleitung des Rechenzentrums. „Das ist ein Familienunternehmen, das 1990 als Schweriner Apothekenrechenzentrum von einer Frau gegründet wurde“, erzählt sie. Das Rechenzentrum für Heilberufe sei daraus hervorgegangen, zwei Söhne der Gründerin seien heute die Geschäftsführer – und damit ihre Vorgesetzten.
Ein Problem habe sie mit den Chefs nicht. „Wir arbeiten sehr entspannt und harmonisch zusammen.“ Dass vieles am Telefon geregelt werden müsse – die beiden Geschäftsführer sitzen in Berlin und Erfurt, wo sie selbst Filialen des Unternehmens leiten – tue dem keinen Abbruch. Im Gegenteil: Dadurch müsse konzentriert gearbeitet werden.
Akzeptanz unter Kollegen – egal ob über- oder untergeordneten – sei für sie ohnehin nicht vom Geschlecht abhängig. Eher schon sei es eine Typfrage, vor allem aber eine von Fachkompetenz und Engagement, meint Anne Maibohm. Sie selbst habe jedenfalls beruflich noch nie davon profitiert, dass sie eine Frau sei. Vorangebracht habe sie da schon eher ihr Leitspruch: „Jeder Stillstand ist ein Rückschritt.“ Deshalb würde sie sich auch immer wieder neue Ziele setzen.
Wobei die junge Chefin unumwunden eingesteht: Ohne die Rückendeckung durch ihren Lebensgefährten wäre sie beruflich im letzten Jahr nicht so schnell vorangekommen. Wenn sie sich zum Beispiel jetzt auch mal abends mit ihrer Mentorin Daniela See trifft oder beide gemeinsam Termine wahrnehmen, dann kümmert er sich um die Kinder. Wichtig ist Anne Maibohm aber zu betonen, dass das keine Einbahnstraße ist: „Wir machen das partnerschaftlich. Würde nur einer zurückstecken, würde das nicht gehen.“
Die Erfahrene: Daniela See
Daniela See leitet eines der größten Unternehmen der Landeshauptstadt – als Managing-Direktorin der Sky Deutschland Service Center GmbH in Schwerin trägt sie die Verantwortung für 720 Mitarbeiter. Zwar hat die zierliche 48-Jährige, die aus Aschaffenburg stammt, Chemie studiert – „finanziert habe ich mir das Studium aber, indem ich in Servicecentern gearbeitet habe.“ Die Branche ließ sie auch danach nicht wieder los. Nach mehreren anderen Stationen kam Daniela See schließlich im Jahr 2000 nach Schwerin, verantwortete den Aufbau des Service Centers für den Bezahlsender Sky, das seitdem immer weiter gewachsen ist.
„Ich selbst hatte ganz phantastische Führungskräfte, die Vorbilder für mich waren, mich aber auch, wo es Not tat, ein bisschen ,geschubst‘ haben“ erzählt die Direktorin. Ohne dass sie sich in den Vordergrund gedrängt hätte, sei sie von ihnen als künftige Führungskraft entdeckt und gefördert worden. Mit Anfang 30 wurde sie dann schließlich selbst in die Geschäftsführung berufen.
„Die Unterstützung, die ich bekommen habe, möchte ich jetzt gerne anderen geben“, erklärt die Schwerinerin, weshalb sie sich als Mentorin im Programm „Zukunft durch Aufstieg“, aber auch beispielsweise in der Ausbildung dualer Studenten engagiert. Zumal: „Als Mentorin lerne ich selbst durch meine Mentees noch eine Menge – es ist also eine Win-win-Situation.“
Natürlich sei ihr Kalender auch so schon randvoll. „Aber ich mache das sehr gern – und wenn man etwas sehr gern macht, dann schaufelt man sich dafür auch frei.“ Zu terminieren und zu priorisieren – das sei sowieso für Führungskräfte unerlässlich, findet Daniela See. Auch Entscheidungsfreude, Konsequenz und Durchsetzungsstärke nennt sie in diesem Zusammenhang – „wobei sich durchzusetzen nicht bedeutet, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Diplomatie ist gefragt.“ Ganz wichtig sei es auch, sich zu positionieren, eine Meinung zu haben – „auch dann, wenn man damit unter Umständen aneckt“. Und: Fortbildung ist das A und O, betont die langjährige Chefin – nur wer selbst fachlich immer auf dem Laufenden ist, könne das auch von seinen Mitarbeitern erwarten.
Hat man es als Frau in leitender Position schwerer? Daniela See findet, dass das nicht so ist. „Ich bin von Männern, mit denen ich zusammengearbeitet habe, immer akzeptiert worden.“ Aber: „Es hilft schon, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu kennen und weibliche Stärken auszuspielen, wo es nötig ist“, meint sie augenzwinkernd. Das gilt auch in beruflichen und sozialen Netzwerken, die sie für unerlässlich hält – und in die sie ihren „Schützling“ Anne Maibohm deshalb jetzt auch gerne einführt.
Dass es zwischen ihnen beiden „passt“, habe sie sehr schnell gemerkt. Beide haben sich schon gegenseitig am Arbeitsplatz besucht – und dabei viele Gemeinsamkeiten bemerkt. Beide hatten zum Beispiel in der letzten Zeit mit Um- bzw- Erweiterungsbauten zu tun - und beide haben bei der Auftragsvergabe vor allem auf Firmen aus der Region gesetzt. „Ich finde, das gehört zu unserer Verantwortung, auch andere Unternehmen vor Ort zu fördern“, meint Daniela See.
Die Vermittelnde: Nicole Dierker-Refke
Nicole Dierker-Refkes Chef ist ein Mann. „Kein Problem“, meint sie, „es ist erwiesen, dass die beste Arbeit von gemischten Teams gemacht wird – weil sich die unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen“. Dennoch verwendet die 40-Jährige momentan einen großen Teil ihrer Arbeitszeit beim BilSE-Institut für Bildung und Forschung in Schwerin darauf, Frauen für Führungsaufgaben fit zu machen. Als Projektleiterin im regionalen Cross-Mentoring-Projekt „Zukunft durch Aufstieg“ begleitet sie 15 Tandems aus Schwerin und Nordwestmecklenburg – 15 Paare aus Frauen, die eine Führungsposition anstreben oder gerade angetreten haben, und erfahrenen Mentoren, die ihnen ein Jahr lang mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Wen sie als Tandem zusammenführt, das habe ganz viel mit Bauchgefühl zu tun. So habe sie schon nach dem ersten persönlichen Kennenlernen von Anne Maibohm gleich an Daniela See als Mentorin gedacht. Die nämlich kennt sie schon länger – einige Jahre lang hat Nicole Dierker-Refke selbst als Trainerin bei Sky gearbeitet.
Andere Mentoren gewinnt sie über berufliche und soziale Netzwerke. „Im Laufe der Zeit lernt man so viele Leute kennen, auf die man bei Bedarf auch immer wieder zurückkommen kann.“ Schließlich erlebt das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Landesprogramm aktuell schon seine zweite Auflage. „57 Mentees aus ganz Mecklenburg-Vorpommern sind diesmal dabei“, weiß Dierker-Refke. Nicht jede werde von einer Frau begleitet, aber jede könne beruflich von ihrem Mentor oder ihrer Mentorin profitieren – und von dem umfangreichen Weiterbildungsangebot, das ebenfalls zum Programm gehört. Im ersten Durchgang seien von den 49 Teilnehmerinnen übrigens als die Hälfte tatsächlich binnen eines Jahres beruflich aufgestiegen. „Durch die Begleitung haben die Frauen gelernt, sich anders zu produzieren, schneller zu entscheiden und auf Partner offener zuzugehen.“
SVZ, 11.02.2015, Karin Koslik